Juden in Waltrop

 Von Eva und Eugen Holtkamp, Seniorenbeirat für die Grünen Waltrop

 
Im Rahmen der Volkshochschule oder nach Vereinbarung werden Stadtführungen durchgeführt, die sich dem Thema "Wie auch Waltrop zur Nazi-Stadt wurde und wie das Schicksal der angesehenen jüdischen Mitbürger:innen seinen oft schlimmen Verlauf nahm" nähern. Der Ortsverband Waltrop von Bündnis 90/Die Grünen hatte eine eigene Veranstaltung am 13.06.2019 organisiert, an der sich Interessierte beim  Jüdischen Friedhof trafen, um unter der Leitung  von Josef Schneider an der Stadtführung teilzunehmen. Auf diesem alten jüdischen Friedhof (1823 bis 1906), der Teil des alten kommunalen  Friedhofs war,  gibt es keine jüdischen Grabsteine mehr. Sie sind alle verschwunden. Allein ein Gedenkstein erinnert an die kleine jüdische Gemeinde in Waltrop, die nie eine eigene Synagoge hatte. 

Danach folgte eine Einführung durch Josef Schneider im Yahoo gegenüber dem Rathaus (früher Hauptquartier der Nazis, das "Braune Haus") zum Thema "Wie auch Waltrop 'judenfrei' wurde". Anschließend gab es eine Führung durch die Stadt zu ehemaligen  NS-Gebäuden auf der Hochstraße und zu Häusern, die Juden gehört hatten. Besonders die Menschen, Häuser und Friedhöfe der jüdischen Familien wurden thematisiert.

 

1932  lebte in Waltrop nur eine winzige Minderheit von jüdischen Familien, nur noch 5 Haushalte mit 18 Personen. 1939 ist im Einwohnerbuch  kein Jude mehr verzeichnet. Über das Schicksal von 4 jüdischen Familien soll hier berichtet werden:


• Louis und Ida Spanier, ein Ehepaar mit einem Sohn und Schwägerin Bertha Rosenthal hatten ein Textilwaren-Geschäft Ecke Hochstraße/Schützenstraße. Sie waren 1938 die letzten Juden in Waltrop.  In der  Pogrom-Nacht  am 10. November 1938 wurden sie überfallen, misshandelt und in "Schutzhaft" genommen und mit der Auflage entlassen, Waltrop zu verlassen. Das Haus musste verkauft werden. Louis zog nach Dortmund und  ist kurze Zeit später verstorben. Sein Sohn  Eduard konnte 1941 nach New York entkommen. Bertha Rosenthal kam bei ihrer Schwester in Hannover unter. Sie wurden beide später nach Auschwitz deportiert und kamen dort ums Leben.


• Josef Rosenthal und danach sein Sohn Wilhelm waren Besitzer des erstklassigen Textil-Kaufhauses an der Kreuzung Dortmunder Straße/Am Moselbach (später Sebbel).  Die Familie mit Frau Mita und Sohn Wilhelm  war hoch angesehen und sehr sozial eingestellt. Willi war Kriegsheld des 1. Weltkriegs, aktiver Sportler,  Sponsor und 2. Vorsitzender des VfB. 1935/1938 erfolgte die Geschäftsübergabe zum Schleuderpreis an Sebbel und die Ausreise der Familie  nach Holland, für die sie 46.000 RM Reichsfluchtsteuer bezahlen mussten. Willi  starb nach 1945 an den Entbehrungen des Versteckens - ähnlich wie Anne Franks Schicksal. 


• Kaufhaus Stern und Baum, Jakob (+1938) und Martha Baum mit 3 Söhnen Werner, Helmut, Günter -Rösterstraße 2 (später Bonhoff), 1936 zwangsversteigert. Den Söhnen gelang es 1939, nach Dänemark/Schweden Israel zu entkommen. Die Mutter verzog 1938 nach Dortmund zu ihrer Schwester und ist 1942 mit einem Sammeltransport nach Polen in ein Vernichtungslager gebracht worden. 


• Der polnische Dentist Leo Rosenblum und seine Frau, Dortmunder Straße 54, fielen einer verleumderischen Hetzkampagne zum Opfer. 1933  ist Rosenblum  nach Dortmund verzogen und dort 1939 verhaftet und 1942 in Bernburg durch Gas erstickt worden. Seine Ehefrau Bertha kam 1943 im KZ Auschwitz um. Sein Haus wurde 1940 von der Gestapo beschlagnahmt und unter Wert an die Schwester des Dentisten Paul Neck verkauft. 

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Kommentare: 1
  • #1

    Dr. Franz-Josef Wittstamm (Samstag, 05 Juni 2021 14:13)

    Eine schöne Zusammenstellung.
    Ich möchte Sie bitten, den Nazi-Jargon "vergast" in Ihrem Bericht gegen "durch Gas erstickt" oder ermordet zu ersetzen.
    Danke
    Dr. Franz-Josef Wittstamm
    fjwittstamm@gmx.de